Rainer Motz, genannt „Munke”, Kunstmaler

Sechs Versuche einer Annäherung

von Hans-Jürgen Fuchs

(November 2004)

Rainer Motz, genannt Munke. Ich kannte ihn nicht. Er starb kurz bevor ich nach Rohrbach kam. Seine Bilder kenne ich wohl. Dachte ich jedenfalls. Schließlich kann keiner, der durch Rohrbach läuft, die Wandgemälde übersehen. Und diese Bilder an Rohrbachen Wänden waren für mich denn auch „der Munke“. Ein Eindruck, den auch die Einladung zur Gedächtnisausstellung bestärkte. Und das sind sie ja auch, jedenfalls repräsentieren sie einen Teil von Rainer Motz’ Persönlichkeit. Das merkte man sofort, wenn man die bestens besuchte Gedächtnisausstellung betrat, die der Stadtteilverein über ein Wochenende im Rohrbacher Rathaus zeigte.

Annäherung 1

Größere Menschen mussten sich zunächst unter der weiß-blauen Fahne hindurch ducken. Im Saal oben erwartete mich das Erwartete: Eine Fülle von Bildern, theaterkulissenartig umgrenzt von einem rustikalem Bauernstück.

Annäherung 2

Das war der erste Blick. Der zweite war ein anderer. Da sind vor allem die älteren Werke. Eindrucksvolle Portraits, zurückhaltend in der Farbigkeit, aber expressiv im Ausdruck; sensible Landschaftsbilder...

Alles andere als brave Bauernmalerei. Auf vielen Malereien, vor allem auf den älteren, drängt sich das Böse ins Bild. Oder es lauert im Hintergrund.

Besonders stark: Das Triptychon. Namenlos wie alle Werke, zeigt es eine Sicht auf die katholische Kirche, die kritischer nicht sein könnte. Im Inneren eine fledermausartige Figur mit einer angedeuteten Mütze, die an Kommunisten feindliche Abbildungen der Nazis erinnert. Auf den Außenseiten eine Nonne, die zur Hexe gerät und ein Kardinal, der einem kleinen Jungen mit großen Augen lüstern den Arm über die Schulter legt.

Bei diesem Bild der katholischen Kirche assoziiert man unweigerlich die Apokalypse. Und so war das wohl auch gemeint. Renate Hammerstein, die Schwester des Künstlers, beschrieb den Hintergrund vor dem das Triptychon entstand. Motz’ Vater war katholisch, heiratete jedoch eine evangelische Frau und erzog auch seine Kinder evangelisch. Als er starb weigerte sich der damalige katholische Pfarrer Rohrbachs, ihn zu beerdigen. Motz’ Vater wurde schließlich evangelisch beerdigt. Die Begebenheit hat den jungen Rainer Motz stark geprägt. Zeit Lebens blieb er zwar Christ, aber auch Antikatholik.

Annäherung 3

In seinen letzten Lebensjahren malte Motz „Munke” dann leichtere, fröhlichere Bilder. Das ist nun jener „phantastische Realismus”, von dem Ludwig Schmidt-Herb in seiner Ankündigung und Begrüßung sprach. Der Clown, der die Einladungskarte schmückte ist dabei aber nur bedingt typisch.

Viel stärker in der Ausstellung vertreten waren expressionistisch anmutende Bilder mit Fabelwesen und immer wieder Kindern. Da waren der Sarotti-Mohr und die Prinzessin lieblich auf dem Einhorn reitend oder auf einer Bühne, bedrohlich auf den Betrachter einstürmend. Ein Clownkind baumelt wie erhängt im Hintergrund eine Teufelsfratze oder ein Faun beäugt es. Kinderträume in denen das Böse seine Dominanz verloren hat, aber nicht verschwunden ist.

Annäherung 4

Im Bild des Pan fließen alle diese Elemente zusammen: Freude, Fruchtbarkeit und Schönheit, aber auch derbe Späße und „panische” Furcht auslösender Schrecken. Pan, der Hirtengott in der griechischen Mythologie, war körperlich missgestaltet. Wegen seiner Bocksfüße lehnte ihn seine Mutter bereits als Neugeborenen ab. Es heißt, die Nymphe Syrinx habe sein Werben abgelehnt. Auf der Flucht vor ihm wurde sie auf ihr Bitten hin am Fluss Ladon in Schilfrohr verwandelt. Pan fertigte aus dem Rohr die Hirtenflöte und spielte darauf seine Lieder.

Pan war an sich ein lustiger und gutmütiger Geselle, konnte aber sehr ungehalten werden, wenn man ihn bei einem Nickerchen in der Mittagshitze weckte. Er hatte wenig Respekt vor den Göttern und begab sich gar in einen musikalischen Wettstreit mit Apollon, dem Gott der schönen Künste. Aber nur König Midas behauptete, die Töne, die Pan auf seiner Flöte hervorbrachte, klängen schöner als Apollons Leierspiel . Apollon rächte sich an Midas indem er ihm Eselsohren angeheftete.

Dem griechischen Pan entspricht der italienische Faun, der Gott der Tierwelt, besonders der Viehzucht, der über Getreidefelder wachen und deren Wachstum begünstigen soll. Später wandelt sich das Bild des Faun in das eines lüsternen Waldgottes. Wurde ein dem Satyr ähnliches Fabelwesen, ein Schalmei oder Flöte spielender, gehörnter Waldgeist, halb Mensch, halb Ziege, meist dargestellt mit menschlichem Oberkörper und Bocksfüßen und Schwanz. Der Satyr war der zu derben Späßen aufgelegte Begleiter des Dionysos / Bacchus), des Gottes des Weins und der Lust.

Annäherung 5

Womit wir beim Wein wären, jenem Getränkt, dem Rainer Motz gerne zusprach. So wie seine Freundinnen und Freunde aus dem Weinloch, die die Ausstellung und deren Eröffnung in Mengen besuchten. Man sah Menschen, die Rohrbach bisher höchstens aus der Perspektive „Traube” kannten – wenn überhaupt.

Im Weinloch, in der Unteren Straße, war „Munke” Stammgast. Eine Besucherin beschrieb den breiten Schatz an Liedgut, über den er verfügte. 32 Strophen von „Oh Haupt voll Blut und Wunden” habe er auswendig singen können. Ich bezweifle allerdings, dass das Lied tatsächlich 32 Strophen hat. Eine Internet Recherche erbrachte nicht mehr als 10 Strophen. „Oh Haupt voll Blut und Wunden” erblickte im Übrigen ursprünglich als weltliches Lied das Licht der Welt. Unter dem Titel „Mein G'müt ist mir verwirret, das macht ein Mägdlein zart” wurde es im 16. Jahrhundert in Hans Leo Haßlers "Lustgarten neuer deutscher Gesänge" veröffentlicht. Ob das Motz „Munke” wusste? Zutrauen könnte man es ihm.

Annäherung 6

… mit der sich der Kreis schließt. Denn die „Bauernmalereien” sind mit die letzten Werke, die uns Motz hinterlassen hat. Hier begegnen uns nun vornehmlich fröhliche Menschen. Ludwig Schmidt-Herb beschreibt diese Phase in Motz’ Schaffen so: „Sei es, um neue künstlerische Wege zu gehen, sei es, um sich eine neue Einnahmequelle zu erschließen: irgendwann zu Beginn der Achtziger Jahre begann er mit der Fassandenmalerei. Seither hat er mit seinen bunten Fresken unzählige Häuser bemalt. Nicht nur in Rohrbach, auch in der näheren und weiteren Umgebung grüßen Munkes Bilder von zahllosen Hauswänden.”

Um neue Einnahmequellen zu erschließen? Ich höre die Adepten der reinen Kunst stöhnen. Darf man als Künstler Wände mit „naiver Malerei“ schmücken? Oder befleckt man damit seine Kunst, zieht auch die anderen Werke hinab in den Schlund des Dekorativen? Keine Ahnung - zum Glück gehöre nicht zum Kreis der Eingeweihten. Auch weiß ich nicht, was Rainer Motz zu diesem Vorwurf gesagt hätte.

Aber ich verlasse mich auf meine Annäherungen und denke mal: Er hätte darüber gelacht!

Gut und Böse einträchtig in der Kiste...

Bei der gut besuchten Eröffnung durfte der Wein nicht fehlen...

Ausstellungsmitorganisator Ludwig Schmidt-Herb ging Spuren aus Rainer Motz' Leben nach und würdigte seine künstlerische Arbeit.

Phantastischer Realismus
oder: „ Farbe ins Leben gebracht“

von Ludwig Schmidt-Herb

Wer mit offenen Augen durch Rohrbachs Straßen geht, der kann sie nicht übersehen, die vielen freundlichen Bilder an den Hauswänden. Da öffnet sich beispielsweise eine riesige „Backstub“ an Rodemers Giebel über dem Kerweplatz, da grüßen Blumengirlanden beim Friseur Ullmer, da präsentieren in der Rathausstraße drei Sommertagskinder fröhlich ihre Stecken, und da thront eine riesige Schildkröte unten am Müllenberg.

Und hier, genau gegenüber in der alten Försters-Mühle, hat auch der Maler gelebt, dem Rohrbach all diese Bilder zu verdanken hat: Rainer Motz, genannt „Munke“. 1938 hatten seine Eltern das alte Anwesen erworben, da war der kleine Munke gerade vier Jahre alt.
Geboren ist er am 19.8.1934 in der Heidelberger Altstadt. Sein Vater, der Rechtsanwalt Dr. Carl Motz, hat seinen Ältesten immer nur „Munke“ gerufen, angeblich nach einem anti-nazistischen Piratensender namens „Munkepunke“. „Munke“ wurde sein Name fürs ganze Leben.

Im Krieg war der Vater gestorben, und die Mutter, Lisl Motz, mußte in schweren Zeiten Munke und seine zwei Schwestern alleine großziehen. In Rohrbach ging der kleine Munke in den Kindergarten und in die Volksschule, später aufs E.I.-Gymnasium, aber höhere Bildung war nicht sein Ding. Er wollte Maler werden. Jedoch seine Mutter bestand auf einem „ordentlichen“ Beruf – so lernte er nach dem Abitur erst einmal Innenarchitekt.

Schließlich wurde es dann doch noch was mit der Malerei: 1952 ging er nach Darmstadt an die Werkkunstschule, 1954 auf die Akademie in München. Kunstreisen nach Venedig, Florenz und Paris folgten. Schließlich besuchte er ab 1959 die Freie Akademie Mannheim und fand dort seinen entscheidenden Lehrer, Professor Paul Berger-Bergner. Bei ihm hat er 1963 seine Ausbildung als Kunstmaler abgeschlossen Seitdem lebte und arbeitete er – wenn er nicht gerade irgendwo in der Welt herumreiste – als freischaffender Künstler in seinem Elternhaus am Müllenberg, in dessen Garten er sich sogar ein eigenes Atelierhaus gebaut hat. Sein Metier waren neben Landschaften und Blumenstilleben vor allem figurative Darstellungen biblischer, mythologischer und märchenhafter Motive. „Phantastischer Realismus“ wurde sein Stil von Fachleuten genannt.

Sei es, um neue künstlerische Wege zu gehen, sei es, um sich eine neue Einnahmequelle zu erschließen: irgendwann zu Beginn der Achtziger Jahre begann er mit der Fassandenmalerei. Seither hat er mit seinen bunten Fresken unzählige Häuser bemalt. Nicht nur in Rohrbach, auch in der näheren und weiteren Umgebung grüßen Munkes Bilder von zahllosen Hauswänden. Selbst im fernen Kalifornien gibt es einige von ihm bemalte Fassaden. In Mauer hat einmal ein Autofaher angehalten und dem hoch oben im Gerüst arbeitenden Munke zugerufen: „Mensch Munke, hosch in Rohrbach schu alle Wänd voll g`molt, daß'de jetz zu uns noch Mauer kumme muscht?“.

Unvergessen sind seine Feste in Rohrbach, „Jour-fix“ genannt, an denen bis weit in die Nacht mit Freunden und Bekannten nicht nur geschwätzt, gefachsimpelt und gesungen wurde, sondern auch manch guter Rohrbacher Tropfen durch die Kehlen floß.

Doch dann ganz plötzlich wurde Munke aus dem Leben gerissen. Am zweiten Weihnachtsfeiertag 1990 starb er erst 56-jährig bei einem Autounfall. Der Rohrbacher Pfarrer Werner Krieg, inzwischen selbst viel zu früh verstorben, sagte damals an seinem Grab: „Seit Munke tot ist, fühlen wir uns so leer, denn uns fehlt die Farbe, die doch gerade er so sehr in unser Leben brachte.“ Damit sprach er vielen, die ihn kannten, aus der Seele. Immerhin: seine Bilder sind uns geblieben.

Am 19. August 2004 wäre Rainer Motz-Munke 70 Jahre alt geworden. Aus diesem Anlaß widmete der Stadtteilverein Rohrbach dem Maler diese Ausstellung.

Ausstellungseröffnung: Samstag, 13. November, 14:00 Uhr, Rohrbacher Rathaus, Rathaustraße.
Die Ausstellung ist geöffnet: Samstag, 13.11.2004, 11.00-20.00 Uhr und Sonntag, 14.11.2004, 10:00-18:00 Uhr