Im Märchenland

Es waren einmal zwei Mädchen, zwei junge Dinger, denen die Volljährigkeit noch nicht allzu lang in den Knochen steckte, die begaben sich auf eine lange Reise. Eine Reise fern ab ihres wohl behüteten Heimes, mit der Absicht, das Leben anderer Menschen auf anderen Kontinenten kennen zu lernen.

So zogen sie durch ihnen bisher fremde Länder, bestaunten unbekannte Ozeane und gaben sich der ungeahnt schönen Landschaft der fremden Orte hin. Sie lernten neue Fortbewegungsgefährte kennen, nahmen ein paar Brocken der ihnen bis dahin noch fremden Sprache auf und erweiterten ihren Horizont mit jeder neuen Entdeckung und Begebenheit.

So führte sie ihr Weg eines Tages in das ferne Vietnam.

Die Zöllner an der Grenze waren hinter sich gelassen worden und das fahrende Gefährt schlängelte sich durch serpentinenreiche Berglandschaften Richtung Meer hin.

Die beiden Mädchen waren müde, denn ihre Fahrt hatte bisher schon sechs Stunden gezählt und vierzehn weitere würden folgen. So saßen sie auf ihren Plätzen, schauten in die grüne Landschaft, als das Automobil plötzlich am Straßenrand hielt.

Das Monster der Sprachunkenntnis nahm die Mädchen an der Hand, ließ sie verunsichert und unwissend werden, doch die Fee der Gestikulation, gefolgt von der Fee der Handsprache trat hinzu. Sie halfen den Mädchen, dem Monster zu entkommen und führten sie zu einem Restaurant.

Doch als sich die Mädchen mit anderen Einheimischen zu Tisch begaben, kehrte das Monster der Verunsicherung zurück und setzte sich leise auf ihre Schultern.

Die Mädchen akzeptierten seine Anwesenheit, denn in der Fremde muss man sich manchmal mit diesen Monstern abgeben, wenn man es nicht schafft sie zu vertreiben.

Und so saßen sie da, mit acht Fremden an einem Tisch und wussten nicht, was auf sie zukommen würde. Doch ehe die Unsicherheit ganz Überhand gewann, trat ein Kellner hinzu und servierte den Mädchen ungefragt verschiedenste Speisen.

Shrimps mit Schale, Fisch in Tomatensauce und gebratene Schweineschwate, dazu Reis und Gemüse in Brühe.

Kleine Schalen wurden ausgeteilt, Stäbchen gereicht. Das Monster der Unwissenheit lachte schelmisch, als die Mädchen mit Staunen den Einheimischen zuschauen. Reis wurde in Schälchen gefüllt, manche schütteten Gemüsebrühe darüber. Mit den Stäbchen wurden Salatblätter aus einem Topf gefischt. In diese füllten die Einheimischen Reis und Shrimps (mit Schale), rollten es und aßen es. Die Mädchen probierten mit zu halten, nahmen dies und das und ließen sich von ihren Sitznachbarn zeigen, wie sie zu essen hatten .

Langsam wich das Monster der Unwissenheit zurück, machte aber seinem Bruder Ungeschick Platz. Eines der Mädchen hatte Schwierigkeiten mit dem asiatischen Essbesteck, doch versuchte sie hartnäckig mit ihm fertig zu essen, lehnte zweimal dem vom Kellner gebrachten Löffel ab, doch scheiterte schlußendlich doch.

Laut lachend sah das Monster dabei zu, wie eine der Einheimischen leicht entnervt dem Mädchen den Löffel in ihre Schale legte und sie mit dieser Degradierung zwang, die Stäbchen zur Seite zu legen und das heimische Essbesteck an zu nehmen.

 

Ihre Reise zog die Mädchen weiter, vorbei an Reisfeldern in denen Frauen mit runden Hüten arbeiteten und Kinder Wasserbüffel an der Leine hielten, die friedlich grasten.

Doch auch die Monster reisten mit, warteten in dunklen Schatten, legten den Mädchen Steine in den Weg. Aber ebenso taten die guten Feen manchmal ihre Arbeit, offenbarten sich in einem deutsch sprechenden Einheimischen, der sie vor vierfach zu teuren Automobilfahrkarten bewahrte und ihnen mit seinem Feuerroß einen Weg zu Geldabholplätzen bat.

Monster und Feen tanzten miteinander. Mal hatte der eine die Oberhand, mal der andere. So mussten sich die Mädchen mit Verkäufern herum schlagen, die ihnen unbedingt etwas verkaufen wollten, mit dreisten Feuerroßfahrern oder um eine Tasse Kaffee verhandeln.

Sie kämpften mit dem Monster der Angst, bei völlig überfuellten Straßen, die es zu kreuzen galt, mit Stress, Hitze, Lärm und freuten sich über jede gute Fee, die sich doch ihren Weg zu ihnen bahnte. Die ihnen Ruhe und Kraft auf einer schönen Terasse mit Obst und guter Laune gab. Die ihnen Staunen und Freude brachte, in Gestalt einer Gruppe Studenten, die sich einfach nur auf englisch unterhalten wollten und die Neugierde eines der Mädchen dann auch noch mit einem Geschenk belohnten. Die Mädchen lernten mit der Zeit ihre Monster kennen, verhandelten mit ihnen und lernten sie zu akzeptieren. Denn bei all dem Mißfallen über ihre Anwesenheit, hatten sie doch gelernt, dass sie die Monster als zeitweilige Begleiter akzeptieren mussten, aber auch immer wieder Feen ihren Weg kreuzen würden.

Und so zog es sie durch Vietnam, immer weiter zu neuen, fremden Orten und wenn sie nicht gestorben sind, dann reisen sie noch heute.

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