Die „Liniennetzoptimierung” des öffentlichen Nahverkehrs in Heidelberg und ihre Auswirkungen auf Rohrbach

In fast allen Städten ist der öffentliche Nahverkehr ein Zuschussbetrieb, mit Ausnahme von vielleicht Honkong. Damit begann Herr Sparmann von der TTK (Transport Technologie Consult Karlsruhe) seine Präsentation im Verkehrsausschuss am Mittwoch den 24.11.2010 In Heidelberg beträgt dieser Zuschuss an die RNV 26 Mio Euro/Jahr. Natürlich ist das nur vordergründig ein Zuschuß, denn wie würde die Wirtschaft oder die Universität in Heidelberg darben, gäbe es keinen Nahverkehr. Auch der Ausbau des Straßennetzes oder der Betrieb des Theaters (15 Mio in Heidelberg) wird bezuschusst um den Bürgern mehr Wohnqualität zu bieten oder mehr Kunden in eine Stadt zu locken.

Dabei steht der Heidelberger Nahverkehr gar nicht so schlecht da. Wird er doch von den Heidelbergern mit 220 Fahrten pro Einwohner und Jahr deutlich stärker genutzt als beispielsweise in Mannheim mit 204, Ludwigshafen 187 oder Ulm mit nur 164 Fahrten. Die OEG und die S-Bahn wurden dabei noch gar nicht mitgerechnet. Obwohl der ÖPNV in Heidelberg überdurchschnittlich genutzt wird, sind die Einnahmen von 3,90 Euro/Nutzwagenkilometer deutlich geringer als in Mannheim mit 5,67. Das kann nur an der unterschiedlichen Kundschaft in Heidelberg liegen. In Heidelberg fahren eben überdurchschnittlich viele Schüler und Studenten, welche natürlich verbilligte Tickets bekommen. An dieser Tatsache wird aber auch ein Kürzungsprogramm nichts ändern.

Es ist sicher in keinem Unternehmen falsch, alle paar Jahre das Angebot zu überprüfen, zu optimieren und auf geänderte Rahmenbedingungen zu reagieren. Daher hatte die TTK auch folgende Aufgaben (in dieser Reihenfolge):

1. Reduzierung des betrieblichen Defizits.
2. Stärkung des Schienenverkehrs.
3. Anpassung des Angebots an die Nachfrage.
4. Erhöhung der Reise- bzw. Beförderungsgeschwindigkeit im ÖPNV.

In der Reihenfolge dieser Aufgaben zeigt sich aber auch gleich das Problem. Wenn die Reduzierung des Defizits die erste Aufgabe ist, werden unter Umständen Vorschläge vorgebracht, welche diese Aufgabe gut meistern, aber den Punkten 2-4 widersprechen. Wenn die Reihenfolge der Aufgaben aber mit Punkt 4 beginnen würde, dann Punkt 3 und 2 ergäbe sich Punkt 1 von alleine.

Doch genug der Einleitung, nun zu den eigentlichen Vorschlägen der TTK, welche Rohrbach betreffen:

1. Strassenbahn 24, derzeit von Rohrbach Süd nach Handschuhsheim über den Bahnhof, soll in Zukunft nur noch ab Ortenauerstr. fahren. Erst war hier in der Diskussion die Line 24 nur bis S-Bahnhof Weststadt/Südstadt einzusetzen.
Allerdings soll es Expresslinien von Leimen über Rohrbach-Markt, Hauptbahnhof zum Neuenheimer Feld geben. Wie allerdings die Expresslinien die normeln Bahnen überholen bleibt mir im Dunkeln.

2. Buslinie 29, von Boxberg zum Bismarckplatz soll in Zukunft nur noch bis Rohrbach Süd, dafür aber ins Gewerbegebiet, fahren. Hier ist vor allem interessant, dass die Linie 29 in 15 min von Rohrbach Süd am Bismarckplatz ist, die Strassenbahn dagegen braucht 19 Minuten.

3. Busline 28, von Rohrbach Markt zum Hasenleiser. Diese Line soll in Zukunft alle 30 statt alle 20 Minuten verkehren, dafür aber weiter bis zum S-Bahnhof Kirchheim/Rohrbach. Der veränderte Takt ist dem Takt der S-Bahn angepasst.

4. Buslinie 27, eine Verbindung von Rohrbach Süd, Boxberg, EMBL zum Bismarckplatz soll zu den Hauptverkehrszeiten öfter fahren.

5. Die Strassenbahnlinie 23 soll in Zukunft nur noch bis Bismarckplatz fahren. Wer weiter nach Handschuhsheim will, muss dort in die OEG umsteigen oder gleich mit der Linie 24 fahren, sofern noch eine Haltestelle der Linie 24 vorhanden ist (siehe Punkt 1). Um vom Emmertsgrund, Boxberg, Hasenleiser oder Gewann-See nach Handschuhsheim zu kommen also in Zukunft 2x umgestiegen werden.

Ein Auto biegt von der Karlsruher Straße in die Parkstraße ab und blockiert die StraßenbahnBeleuchtet man nun die für Rohrbach vorgeschlagenen Änderungen unter dem Gesichtspunkt der oben angegebenen Ziele fällt auf, dass obwohl das zweitwichtigste Ziel die Stärkung des Schienenverkehrs ist, die Linie 24 nicht mehr nach Rohrbach Süd ins Gewerbegebiet fahren soll und die Line 23 nicht mehr nach Handschuhsheim. Hier würde eine Direktverbindung vom Bahnhof ins Gewerbegebiet beschnitten und RNV-Kunden aus dem Emmertsgrund und dem Boxberg müssen nun 2x umsteigen um zum Bahnhof, ins Neuenheimer Feld oder nach Handschuhsheim zu kommen.

Zusammen mit dieser Schwächung des Schienenverkehrs soll auch noch die Buslinie 29 ab Rohrbach Süd gestrichen werden. Beides zusammen wird vermutlich zu mehr Autoverkehr durch Rohrbach führen.

Ein Schwachpunkt der Heidelberger Bahnen z.B. im Vergleich zu Mannheim, ist dass die Mannheimer um ca. 25% schneller am Ziel sind. Die Beschleunigung des Schienenverkehrs scheint in Heidelberg nicht richtig gegriffen zu haben. Nicht nur macht das den ÖPNV unattraktiv, auch verbrauchen die Wartezeiten an Ampeln mehr Geld für Fahrer/innen und es werden mehr Investitionen in Fahrzeuge erforderlich.

Besonders pikant wird dies bei dem Plan die Buslinie 29 zu kürzen. Von Rohrbach Süd zum Bismarckplatz braucht der Bus 15 Minuten. Die Bahn braucht 19 Minuten. Der ÖPNV wird noch unattraktiver und die Folge wäre mehr Autoverkehr in Rohrbach.

Ich denke Rohrbach braucht eine andere Verkehrspolitik. Der Schienenverkehr darf nicht ausgedünnt werden, sondern muss ausgebaut werden. In Karlsruhe und Kassel gibt es Regio-Trams, die sowohl auf S-Bahn als auch Strassenbahnschienen fahren können. Mit solchen Lösungen könnte man Wiesloch oder Sandhausen ohne Probleme an die Innenstadt von Heidelberg oder das Neuenheimer Feld anbinden. Auch würde die Möglichkeit von Park und Ride in Rohrbach Süd sicher die Attraktivität der Straßenbahn erhöhen.

Aber das will die Stadtverwaltung nicht hören. So wurde bisher den Bezirksbeiräten das gesamte Gutachten der TTK, vor allem die Punkte „Beschleunigung und eigener Fahrweg” sowie „Ausbau der Schieneninfrastruktur” vorenthalten. Das werden wir nachfordern. Eine öffentliche Sitzung für die Süd-Stadtteile wird es am 16.12.2010 in Pfaffengrund, Gesellschaftshaus Pfaffengrund, Besprechungsraum, Schwalbenweg 1/2 geben.

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