Aktionstag eine Straftat?

von Hans-Jürgen Fuchs

Zwei Akteure mit Schild Der Aktionstag des Netzwerk Verkehr am 26. Januar 2010 hat merkwürdige Nachwirkungen: Einer der Organisatoren, Franz Maucher, erhielt Post vom „Bürgeramt/Allg. Ordnungsangelegenheiten” in dem ihm u.a. vorgeworfen wird, eine Straftat begangen und die „Sicherheit der Kinder beeinträchtigt” zu haben. Unter dem Betreff „Demonstration in Rohrbach” heißt es:

Sehr geehrter Herr Maucher, aus der Ausgabe der Rhein-Neckar-Zeitung Nr. 26/ Dienstag, 02.02.2010, entnehmen wir, dass Sie im Ortskern von Heidelberg-Rohrbach eine Demonstration abhielten, indem Sie in der Rathausstraße und der Leimer Straße einen Zebrastreifen auf die Fahrbahn aufgemalt haben und etwa in Höhe der Weingasse durch ein aufgestelltes Schild mit der Aufschrift „liebe Leute groß und klein, hier muss eine Querung sein!” sich für die Einrichtung eines offiziellen Zebrastreifens einsetzten.

Erlauben Sie uns hierzu bitte die Anmerkung, dass es sich bei der von Ihnen durchgeführten Maßnahme ohne jeglichen Zweifel um eine Versammlung im Sinne des Versammlungsgesetzes handelte, die bei der zuständigen Behörde spätestens 48 Stunden vor der Bekanntgabe (dies ist vorliegend die Stadtverwaltung Heidelberg) unter Angabe des Gegenstandes der Versammlung angemeldet werden muss. Es ist auch anzugeben, wer für die Leitung der Versammlung verantwortlich sein soll.

Wer als Veranstalter oder Leiter eine öffentliche Versammlung unter freiem Himmel ohne Anmeldung durchführt, begeht nach den Bestimmungen des Versammlungsgesetzes eine Straftat. Wir können aufgrund der eingetretenen Öffentlichkeitswirkung über diesen Sachverhalt nicht hinwegsehen und haben deshalb die Polizeidirektion Heidelberg über diesen Vorgang unterrichtet.

Die Stadt Heidelberg ist aber auch zuständige Verkehrsbehörde, sodass wir Sie auch in dieser Eigenschaft darauf hinweisen müssen, dass es Privatpersonen untersagt ist, regelnd in den Straßenverkehr einzugreifen. Sie waren demzufolge nicht dafür zuständig, Markierungen im Bereich der öffentlichen Verkehrsfläche vorzunehmen und haben - dies ergibt sich auch aus der Presseberichterstattung - bei Verkehrsteilnehmern Irritationen herbeigeführt weil sowohl Fußgänger als auch Fahrzeugführer in sehr unterschiedlicher Weise auf derartige Markierungen reagieren. Sowohl durch die Annahme, dass es sich hier um eine legale Verkehrseinrichtung handelt, als auch durch die Annahme von Fahrzeugführern, dass es sich um Verkehrseinrichtungen handelt, die nicht bindend sind, können gefährliche Situationen herbeigeführt werden.

Wir müssen Sie deshalb bitten, solche Handlungsweisen zu unterlassen, weil Sie dadurch auch die Sicherheit der Kinder beeinträchtigen, die Sie in den Glauben einer sicheren Querung der Fahrbahn versetzen. Bitte ziehen Sie deshalb weiterhin in Betracht, dass diese Vorgehensweise auch den Tatbestand eines gefährlichen Eingriffs in den Straßenverkehr im Sinne des § 315 b Strafgesetzbuch erfüllen kann; hierzu zählt gegebenenfalls auch das eigenmächtige Markieren, das Aufstellen von Schildern und das persönliche Eingreifen in Verkehrsabläufe durch Verkehrsregelungen.

Mit freundlichen Grüssen …

Das ist, ich muss es betonen, kein vorgezogener Aprilscherz, sondern ein Stück verkehrte Welt. Formaljuristisch mag die Stadt ja Recht haben – vielleicht haben die Eltern tatsächlich unbedarft gehandelt, als sie die Anmeldung der Veranstaltung vergaßen. Trotzdem ist es mehr als peinlich, Eltern, die für sicherere Wege für ihre Kinder kämpfen strafrechtlich zu verfolgen. Ein Exempel, das die Stadt bei anderer Gelegenheit schon einmal statuierte.

„Wir können aufgrund der eingetretenen Öffentlichkeitswirkung über diesen Sachverhalt nicht hinwegsehen und haben deshalb die Polizeidirektion Heidelberg über diesen Vorgang unterrichtet.” Können wir nicht? Sorry, das glaube ich nicht, es gibt immer einen Ermessensspielraum, das sieht man bei anderen Gelegenheiten wie LKW-Demos oder Apres-Fußball-Events. Den Spielraum in einem solchen Fall nicht zu nutzen, finde ich einen Skandal!

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