Allerweltskrach

Ein ungewöhnliches Experiment …

(11. und 14. November 2007)

von Hans-Jürgen Fuchs

Plakat der Veranstaltung

Trotz wüsten Wetters hatten viele den Weg in den Roten Ochsen gefunden. Sie erwartete ein ungewöhnliches Experiment. Und wie bei vielen Experimenten in der Chemie trafen zwei sehr unterschiedliche Elemente aufeinander: Zarte Chorstimmen trafen auf hartes Blech, ausgefeilte Arrangements auf treibende Rhythmen, schöne Frauen und Männer auf schöne Frauen und Männer. Manche sogar dieselben.

Im Roten Ochsen hatte das Projekt Premiere, die Wiederholung - diemal mit vollständiger Besetzung - folgte drei Tage später in der Peripherie, im Tikk-Theater im Karlstor.

Die Elemente waren der weithin bekannte Nachbarschaftskrach, die Rohrbacher Bläservative, unter Leitung von Uwe Loda und der Allerweltschor, geleitet von Klaus Löscher, der ein Stück weite Welt in den Roten Ochsen brachte. Als Katalysator diente einmal mehr der punker als Veranstalter.

Und wie bei vielen Experimenten hat es kräftig gekracht und etwas schönes Neues ist entstanden.

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Zunächst Auftritt Allerweltschor. Ein junger Chor, der erst wenig Auftritterfahrung hat. Die Atmosphäre schummrig, da die Stromleitungen sonst die Lautsprecher zum Brummen gebracht hätten. Lieder aus Japan, vom Balkan und aus Bayern. Ausgefeilte Sätze, kunstvoll mehrstimmig. Leider fehlt mir als Nichtmusiker das adäquate Vokabular. Aber es war einfach schön und nahezu perfekt.

Der Chor

Der Allerweltschor mit Klaus Löscher in seinem Element: Homeless aus Südafrika

Das Rohrbacher Publikum wie immer. Es ist schon etwas Besonderes, hier aufzutreten. Die Leute aus allen Altersgruppen gehen einfach mit, zeigen ihre Freude offen und lautstark.

Frau mit Erdkugel in der Hand

So findet der Allerweltschor seine Lieder: Mit dem Finger auf dem Globus.

Das ist nicht zuletzt ein Verdienst des Nabakra, der sich die Integration von Profis und Laien, Erwachsenen und Kindern zum Progamm gemacht hat – wobei aus den Kindern inzwischen oft selbst Jugendliche und Erwachsene geworden sind.

Klaus Löscher und Uwe Loda

Klaus Löscher meets Uwe Loda

Nun nahte die Frühpatroullie. Der Nachbarschaftskrach ("Wir sind kein Verein e.V.") maschierte auf und man merkte sofort: Das ist ein Heimspiel. Nicht nur im Roten Ochsen, auch im Tikk ging die Stimmung noch höher.

"Wir sind noch nicht so weit, hatten unser erstes Konzert eigentlich erst für 2010 geplant", meinte Thomas Kochhan. Understatement? Ja und nein. Denn zum Programm des Nabakra gehört gerade auch das nicht Perfekte, das Improvisierte und Spontane. Volle Kanne Leben. Thomas' Bitte um Rücksicht war unnötig. Auch sein Hinweis, dass die Meisten im Ochsen viele Stücke schon kennen: "Abwechslung ist nicht unsere Aufgabe!".

Der Nabakra

Das Publikum lernte nun auch die Rohrbacher Musikfürsorge kennen. Ehe man es sich versieht, steht man auf der Bühne mit einem Instrument in der Hand oder trägt ein Gedicht vor und ist Ehrenmitglied im Nabakra. Die Stücke: Viel Balkanpunkjazz in Anlehnung auch an Bregovich: "So wollen wir auch einmal werden."

Köstlich auch Martina Baumanns Anmoderation mit einem Zitat aus dem Kicker: "Es genügt nicht, sich keine Gedanken zu machen. Man muss auch unfähig sein, sie auszudrücken". Dort einem Fußballer zugeschrieben, eigentlich aber von Karl Kraus. Der auch gesagt haben soll: "Keinen Gedanken haben und ihn ausdrücken können, das macht den Journalisten."

Der Saal tobte und das erste Set ging zu Ende.

Nach der Pause startete wieder der Nabakra. mit "Chaplin": "Hey Leute dieser Pfarren. ihr müsst nicht länger harren und mit den Füßen scharren …". Reime wie aus Rapperkreisen oder von Naidoo. Nur mit mehr (Un-)Sinn.

Dann das Kästnergedicht zu Chanel N°10, das der Autor vortragen durfte, nachdem er es nach einer Recherche in 882.000 gegoogelten Intenetseiten gefunden hatte. Und so die "Wanderungen im Nebel", die "verlorenen Freunde" und das "Haus, das man nimmermehr baut" zu umgehen wusste. Stattdessen eine Erde, die sich dreht, was man beim Trinken spürt und eine Ruth,mit der sich der Verkehr aufs Briefeschreiben beschränkt. Vor allem aber Straßen, die Korridoren ähneln in denen Türen offen stehen.

Der Nabakra verläßt die Bühne

Der Löwe ist darüber eingeschlafen, der Nabakra verließ die Bühne

Der Allerweltschor folgte mit weiteren Liedern aus Südafrika, Bayern und dem Rest der Welt. Alles frei gesungen in vielen Sprachen. In der Hoffnung, dass irgendwann einmal jemand im Publikum sitzt, der die Sprache, z.B. Norwegisch, versteht und dem Chor erklärt, was er da singt. Natürlich auch Understatement.

Der Chor im Kampf mit den Notenblättern

Der Chor im Kampf mit den Notenblättern

Ein Lied allerdings funktioniert nur mit Text- und Notenblatt: Der Rudi. Das ist ein Bayer, der ein Fahrrad besitzt und daran ein Radio montiert hat. Mit der Folge, dass es nun mit der Ruhe vorbei ist. Nur, falls Sie es nicht verstanden haben sollten. Das Publikum tobte. Ich wiederhole mich, aber so war es halt.

Löscher spielt Gitarre, Loda ruft ins Publikum

Besonders dynamisch waren die Stücke, bei denen Nabakra und Allerweltschor gemeinsam, äh, musizierten. Zum Beispiel ein Stück namens "Allerweltskrach". Da ging es ab auf der Bühne. Das hatte Kraft. Auch beim russischen Traditional "Tanze, tanze", dem Allheilmittel gegen die Herbstkälte, ergänzten sich die unterschiedlichen Partner bestens. Auch wenn es manchmal nicht so aussah, sondern an die Westsidestory erinnerte.

Scheinbar wütender Sänger

Der Schein trügt: AWC und Nabakra ergänzten sich prächtig …

Ursula Röper ist streitlustig

Der Schein trügt auch hier …

Zum Abschluss ein organisiertes Geplänkel: Meiner ist aber besser, schöner, kunstvoller. Gemeint waren die Leiter der Gruppen, Klaus Löscher und Uwe Loda. Dieser zugleich Mitsänger im Allerweltschor.

Rosen für die Leiter

Beide waren besser und kunstvoller und schöner sowieso. Deshalb bekamen sie auch Rosen.

Das nächste Mal bringen wir Teddies und BHs mit!